Trennung trotz Liebe

Wenn man die Liebe nicht mehr zu ertragen glaubt, sie aber nicht vergessen kann...
Vor vielen Jahren war ich verliebt. Sie schien die Liebe fürs Leben. Sie war außerordentlich hübsch, natürlich elegant, bestechend scharfsinnig, hatte diesen nötigen Touch des Verrückten und ein treffsicheres Auge für Schönheit und Stil. Sie konnte sich kleiden, war kreativ und sehr begabt. Sie war liebevoll und wild zugleich. Und sie war in der Lage einen Freigeist wie mich zu zähmen... zumindest auf den ersten Blick.
Im Endeffekt denke ich, dass es meine Schuld war, meine Unflexibilität. Ich bin ein meist reichlich kompromissloser Mensch und Freunde an meiner Seite haben es oft nicht leicht.
Unsere Beziehung gewann Tiefe mit der Zeit - die Vertrautheit erreichte Sphären, die ich so vorher noch nicht kannte. Sie wusste alles von mir, kannte fast jeden Winkel meines Geistes... wir waren eins und auf irgendeine Weise gehörte sie schließlich zu mir, war Teil meiner Selbstdefinition.
Die Jahre vergingen wie im Fluge und plötzlich war etwas anders.
Um meiner Eigenwilligkeit gerecht zu werden hatte sie irgendwann begonnen, ihre Individualität zu opfern, um mir nahe sein zu können. Sie passte sich zunehmend meiner Welt an und gab dafür immer mehr ihrer Welt auf.
Sie gehörte zu meinem Leben, aber als Person mit eigener Identität. Ich wollte mein Leben (mit all seinen Eigenheiten und verworrenen Windungen) mit dieser Person teilen. Mit dieser Person, die ihr eigenes Leben mit eigenen Geheimnissen und Wünschen mitbringt. Ich liebte diese Person. Diese wunderschöne, zerbrechliche, starke Frau mit ihren langen Haaren und ihrem Charme der Eigensinnigkeit.
Aber sie gab all das auf. Sie gab es auf um mir vermeintlich noch näher zu sein. Sie wurde zunehmend zu einem Spiegel... der mir erschreckenderweise nicht gefiel. Ich sah zunehmend seltener die Frau, in die ich mich verliebt hatte und immer mehr ein zweites Gesicht in meiner mir so eigenen Welt.
Das tragische an der Geschichte ist, dass sie all dies aus Liebe tat. Vielleicht hatte sie das Gefühl, nicht an mich heran zu kommen? Vielleicht wollte sie mich in meiner Welt einfach noch mehr umarmen. Vielleicht war ich ihr zu eigensinnig und sie traute sich nicht, es mir zu sagen. Vermutlich war ich zu kompromisslos und zu egozentrisch... müßig.
Sie fehlte mir. Und auch wenn sie bei mir war, fehlte sie mir. Und das war ganz grausam. Weil ich sie doch liebte. Mehr, als Worte es hätten beschreiben können.
Und in meinem Unglück und meiner damaligen Unfähigkeit, die Situation so nüchtern und treffend zu erkennen, wie ich es inzwischen kann, wurde alles nur noch viel schlimmer.
In mir regte sich Widerstand. Mein Herz verlangte nach dieser Liebe und rebellierte schließlich, weil die Traurigkeit die Überhand nahm. Ich konnte mich damals selbst nicht verstehen. Ich begriff nicht, was passiert war. Ich war ratlos wegen meiner Traurigkeit - schließlich hatte ich meine Freundin doch bei mir. Ich suchte verzweifelt nach Ideen und Lösungen.
Ich wollte mich trennen, aber gleichzeitig wollte ich sie nicht verlieren. Dass ich sie längst verloren hatte, wollte ich nicht sehen. Es gab nichts, was ich hätte sagen können. Nichts, was ich hätte sagen wollen. Alles, was mein Herz dachte war "Ich liebe dich!" und zugleich "Wo bist du?". Und irgendwann wurde es uneträglich.
Die Trennung musste her. Aber wie trennt man sich von einem Menschen, den man über alles liebt? Und warum sollte man das tun?
Ich ging einen widerlichen Weg für den ich mich noch heute schäme und der mich noch heute in meinen Träumen verfolgt. Ich schlief mit einer Ex-Freundin.
Das Geständnis warf sie komplett aus der Bahn. Schließlich hatte sie alles für mich getan. Alles. Sie hatte begonnen, sich selbst für mich zu opfern... und ich Bastard betrog sie.
Aber sie liebte mich zu sehr, als dass sie mich für so etwas wegschicken konnte. Und so wurde es nur noch viel schlimmer. Jetzt war auch sie tottraurig. Ihr geliebter Freund hatte sie betrogen. Der Mann, für den sie alles tun würde. Der Mann, von dem sie sicher war, fürs Leben bestimmt zu sein. Aber sie wollte ihn festhalten, nicht aufgeben.
Ich bekam Zweifel - wie konnte ich mich von einer Frau trennen wollen, die derart an mir hängt. Da gab es einen Menschen auf dieser Welt, dem ich alles bedeutete und ich trat dieses Glück mit Füßen. Ich wollte es nicht treten. Wer will schon sein Glück verjagen?!
Dann machte mich dieses wilde Girly in diesem Club an. Sie wusste nichts von mir, von meiner Situation. Sie war nur da. Und in meiner Traurigkeit und Lethargie tat ich einen weiteren Schritt und nahm auch sie nun mit nach Hause.
Das war zu viel.
Ich hab noch niemals so viel Ernüchterung und Traurigkeit in einem geliebten Augenpaar gesehen, bevor sie gegangen ist. Und nach diesem Tag habe ich sie nicht mehr gesehen.
Und erst, als mir klar wurde, dass wir nun wirklich getrennt waren, dass unsere Zeit vorüber war und mit ihr alle Hoffnungen und alle Vertrautheit, wurde mir klar, wie sehr sie mir wirklich fehlte. Ich liebte sie nach wie vor.
Ich hatte die Trennung erzwungen zu einem unglaublich hohen Preis. Es hat sehr lange Zeit gedauert, bis ich anfangen konnte, mir selbst zu vergeben, dass ich dem einen Menschen, den ich über alles geliebt habe, so unheimlich weh getan hatte.
Ich bin damit noch lange nicht fertig und hoffe ehrlich gesagt auf die größte Chance, die ich mir erhoffen kann - die Möglichkeit, sie um Vergebung zu bitten. Aber vielleicht ist das zuviel Hoffnung... was bleibt zurück? Die Lehre, dass zuviel Nähe manchmal Distanz schafft und dass man reden sollte, solange man es kann.
Und die Erkenntnis, dass man damit leben muss, einem geliebten Menschen vielleicht irgendwann nicht mehr sagen zu können, wie sehr man ihn (ge)liebt (hat).
http://www.neon.de/artikel/fuehlen/liebe/trennung-trotzt-der-liebe/678220


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