Back in the summer of 2013

Von einigen wurde ich ja schon via ask.fm gefragt, ob ich mal schreiben und erklären könnte, was eigentlich mit mir los war. Die, die wissen, was ich hatte, wollten dann wissen, wie das ganze für mich war, wie es dazu kam und wie alles abgelaufen ist. Also los geht's.
Anfang 2011 hatte ich immer wieder ein unglaubliches Druckgefühl in meiner Brust, habe deswegen auch mehr als ein mal den Arzt besucht. Der dachte, dass ich was am Herzen hatte und hat deswegen auch nur mein Herz untersucht. Da man am Herzen die Krankheit nicht erkennen kann, hat er logischerweise nichts gefunden und mich immer nach hause geschickt.
Im Mai musste mein damaliger Freund Nachts mit mir ins Krankenhaus, weil die Schmerzen, trotz täglicher Schmerzmittel Einnahme, unglaublich stark wurden und ich kaum Luft bekam.
Im Krankenhaus dann das selbe Spiel wie beim Arzt - man checkt mein Herz. Wie schon im März ohne irgendeinen Befund.
Der gute Mann sagte mir, dass ich zu schwache Muskeln habe und mit ein wenig Sport verschwinden auch die Schmerzen.
Von dem Tag an habe ich dann jeden Tag bis zu drei Ibuprofen Tabletten gebraucht, da die Schmerzen immer doller wurden.
An einem heißen Sommertag Ende Juli habe ich dann bemerkt, dass mein Lymphknoten am Schlüsselbein unglaublich angeschwollen war. Ich hatte eine richtige Beule, die mich verunsichert hat. Also fuhr ich erneut zum Arzt und dachte, man verschreibt mir Medikamente und ich kann den Abend mit meinen Freunden verbringen. Schließlich hatte ich erst knapp eine Woche Ferien. Naja, der Arzt jedoch war sehr hektisch und konnte sich nicht erklären woher die Beule kam - meine Schmerzen in der Brust hätten damit ja eh nichts zutun. Er schrieb mir eine Überweisung und ich verbrachte von dem Tag an knapp 3 Wochen im Krankenhaus.
Es wurden gefühlt 85750 Tests durchgeführt und ich frage mich immer noch, wieso ich überhaupt noch Blut habe, bei den Mengen die mir abgenommen wurden.
Zum Ende meines Aufenthalts sollte ich eine Knochenmarkbiopsie am Beckenkamm durchführen lassen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich offiziell noch nichts vom Ergebnis aber es wurde mir klar, dass es ernst sein muss, wenn man mir bei vollem Bewusstsein im Becken rum bohren muss.
Also fing ich an im Krankenhaus Stress zu machen und weigerte mich, auch nur irgendwas mit mir machen zu lassen. Ich ließ das Essen stehen und Blut gabs für die armen Schwestern auch nicht. Ich wollte endlich klipp und klar hören, was mit mir nicht stimmt.
Da man mich ja so nicht stehen lassen kann, bekam ich tatsächlich nach 3 Tagen Protest den Oberarzt zugesandt, der mir erklärte, dass meine Lymphknoten (die sonst so groß sein sollten wie ein Reiskorn) so groß waren wie ein Golfball. Dies lag am Hodgkin-Lymphom, das auch die Schmerzen in der Brust erklärte. Meine anderen Organe wurden quasi von den immer wachsenden Lymphknoten erdrückt.
Das knallt ziemlich. Gerade 18 und der Arzt versucht dir beizubringen, dass du Krebs hast. Für mich persönlich eine Krankheit, die man mit 80 bekommt und dann daran stirbt. Aber nicht mit süßen 18, mitten im Abi.
Da mein Fall den Arzt sehr beschäftigte, weil ich abgesehen vom Schmerz in der Brust keinerlei Symptome hatte (Gewichtszu- oder abnahme, Nachtschweiß, Erbrechen oder starke Schmerzen beim Verzehr von Alkohol haha), gab er mich in die Hände seines liebsten Onkologen. Bei dem guten Mann sind zwar restlos alle Plätze immer vergeben, aber da auch er meine Geschichte sehr interessant fand, bekam ich tatsächlich die Chance, den weiteren Verlauf in seine Hände zu geben.
Ich muss zugeben, der werte Herr wusste von Anfang an, dass ich sehr zickig bin, da mich das ganze sehr mitnahm. Aber mein zickig sein stand meiner Gesundheit im Weg und er sagte mir, dass ich ihm entweder Vertrauen schenke, damit er mich gesund machen kann oder mein Leben so weiter lebe und nicht mal 30 Jahre alt werde, da sich meine Krankheit im zweiten Stadium befand (Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (IIN) oder lokalisierte extranodale Herde und Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells) und so oder so bösartig war.
Mir blieb nichts anderes übrig und ich bin ihm bis heute dankbar dafür, dass er meinen Willen so gebrochen hat.
Meine Familie und Freunde gingen durch die Hölle, ich weiß, wie schwer ich es allen gemacht habe. Es war eine furchtbare Zeit. Ich wollte nicht reden, habe niemandem gesagt was ich eigentlich für unglaubliche Angst hatte. Ich befürchtete, allen zur Last zu fallen. Hatte Angst, Freunde zu verlieren, weil ich ihnen zu anstrengend werde. Wer braucht schon eine kranke Freundin?
Ich bekam die Möglichkeit im Laufe der Therapie eine Psychologin zu besuchen und lehnte ab. Ich wollte alleine sein, wusste nicht wohin mit den Gedanken. Was, wenn alles nichts bringt? Was, wenn ich mich die ganzen Monate quäle, zunehme, meine Haare verliere, ständig schlafe oder kotze und am Ende heißt es dann nur: sorry, hat nichts gebracht.
Ich habe mich nicht vielen anvertraut und die Menschen, die zu der Zeit für mich da waren, sind heute für mich heilige.
Es war wichtig für mich, nach der ersten Operation wach zu werden und Jackys besorgtes Gesicht zu sehen. Es war wichtig, bei jeder Untersuchung zu wissen, dass Kati vor der Tür steht und am Wochenende wenn ich nicht feiern konnte, war es mir wichtig, dass Kelly mich in Abende ohne Alkohol einplante. Meine Freunde haben alles gegeben, um mir die Zeit nicht schlimmer zu machen, als sie eigentlich war.
Meine Familie war rund um die Uhr für mich da, es ist wirklich unglaublich wie sehr alle unter diesen Monaten leiden mussten. Meine Schwester musste von jetzt auf gleich sehr erwachsen handeln, begleitete mich immer ins Krankenhaus, wenn meine Eltern mal nicht konnten. Meine Mutter verbrachte jede Nacht neben mir auf einer Matratze, mein Vater versuchte mir alles an Essen zu besorgen, was ich essen konnte, fuhr mich zu jeder Untersuchung und holte mich nachts bei Freunden ab, wenn ich, geschwächt von der Chemo, einfach eingeschlafen bin.
Für niemanden war es leicht und ich bin froh, dass ich inzwischen allen zeigen kann, wie glücklich mich ihre Zuneigung gemacht hat.
Nach Beenden von Chemo und Bestrahlung am 06.Februar 2014 konnte ich sogar wieder stolz ohne Perücke und Mütze rumlaufen. Zwar war es nur ein leichter Flaum und schön fand ich es auch nicht, aber ich hatte es vorerst geschafft. Ich musste nicht mehr all die Tage im Bett verbringen. Ich konnte anfangen, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen und das beste daraus zu machen.
Von dem Tag an lief es dann auch immer besser. Ich schaffte alle Nachsorge Untersuchungen und bekam immer einen negativen und unauffälligen Befund. Ich bekam eine Praktikumsstelle im Kindergarten meiner Wahl, um mein Fachabi beenden zu können und knüpfte neue Kontakte.
Am 19.Mai 2014 stand die letzte OP bevor, der Zugang, den man mir im August gelegt hatte (Port) konnte nun endlich entfernt werden. Es war für mich die wichtigste Operation von allen. Wenn man mir dieses "Ding" entfernt hat, ist das Thema für mich gegessen, das war mein einziger Gedanke. Ich wollte an meinem Geburtstag endlich frei sein und das alles hinter mir lassen. Deswegen ist dies auch für mich der wichtigste Tag der ganzen Zeit und es ist mir auch besonders wichtig, dass Kati ihn mit mir verbracht hat, denn sie war auch diejenige die am Tag meiner Einweisung schneller als die Polizei beim Arzt stand und mich ins Krankenhaus gefahren hat.

Natürlich ist es immer so eine Sache mit Krankheiten dieser Art. Ich bin topfit und mir geht es gut. Wirklich geheilt bin ich, wenn die nächsten 5 Jahre ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen. Bis dahin versuche ich mich nicht verrückt zu machen, genieße jeden Moment und denke an die Zeit zurück, in der die Menschen, die ich liebe für mich da waren und die falschen gegangen sind, denn das hat mir gezeigt, auf wen ich mich wirklich verlassen kann.
Ich brauche keine "Ohhh das tut mir so leid"-Nachrichten. Ich habe das alles geschafft, auch wenn einige es mir nicht zugetraut haben. Nicht jeder kann mit 19 von sich behaupten Krebs überstanden zu haben und ich habe mich unheimlich verändert in der Zeit. Ich habe gelernt Verantwortung zu übernehmen und über mein Handeln nachzudenken. Ich sehe nicht jedes Wehwechen als Weltuntergang und nehme viele Sachen deutlich ernster.
Natürlich war das ganze alles andere als schön für mich. Jedoch hat es aus mir einen neuen und besseren Menschen gemacht.

Ich hoffe, dass das ganze ausführlich genug war, aber falls noch Fragen offen sind, kann man mir diese gerne stellen :-)

Was das Hodgkin-Lymphom ist, kann man hier nachlesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hodgkin-Lymphom

Danke an dieser Stelle (noch mal) an meine wundervollen Freunde, die sich auf mich verlassen können, egal was kommt




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